Rentensystem durch Investitionen am Kapitalmarkt stärken
Mit dem Rentenpaket II wurde ein Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik eingeläutet. Durch das Generationenkapital werden künftig auch Kapitalerträge in die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung einfließen. Doch das kann nur der Anfang sein.
Die Modernisierung unseres Rentensystems muss über alle drei Säulen hinweg erfolgen. Denn die gesetzliche Rente allein wird nicht ausreichen, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Deshalb werden wir in den kommenden Wochen die Stärkung der Betriebsrenten angehen und die Reform der privaten Altersvorsorge (pAV) in die Wege leiten. In beiden Fällen gilt es die Chancen des internationalen Kapitalmarkts für Vorsorgende besser nutzbar zu machen.
Gerade die Reform der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge ist mir als Freie Demokratin ein Herzensprojekt. Denn nach der Bauchlandung mit Riester kommt der langfristige Vermögensaufbau nur spärlich voran. De facto wird das Produkt heute nicht mehr genutzt. Es krankt an seinen starren und undurchsichtigen Vorgaben. Die Folge: Das Geld wird auf dem Girokonto oder dem Sparbuch geparkt. Laut OECD legen derzeit fast 90 Prozent der Erwachsenen in Deutschland aktiv Geld zur Seite, doch nur 18 Prozent halten auch Anlageprodukte. Muss man sich da noch wundern, dass die Vermögensbildung nicht vorankommt?
Damit wir künftig nicht nur Sparweltmeister der Herzen sind, sondern sich unsere Sparanstrengungen auch im Portemonnaie bemerkbar machen, müssen wir in Deutschland eine Kapitalmarktkultur etablieren. Der staatlich geförderten Altersvorsorge fällt hier eine Schlüsselrolle zu. Sie muss aus ihrem engen Korsett an Kriterien befreit werden. Anstelle starrer Vorgaben braucht es Flexibilität und Verständlichkeit. Mit Blick auf die bevorstehende pAV-Reform lautet die liberale Quintessenz: Fördersystematik weiter denken, Ansparphase attraktiver gestalten, Auszahlungsphase liberalisieren. Dies möchte ich in einigen wenigen Punkten skizzieren.
Der Abschlussbericht der Fokusgruppe hat zwar bereits attestiert, dass sich die bisherige Förderung aus Zulagen, Sonderausgabenabzug und nachgelagerter Besteuerung bewährt hat. Dennoch gilt es die Fördersystematik weiter zu denken und zusätzliche Anreize zu schaffen. Anstelle fixer Zulagen könnte eine beitragsproportionale Förderung die Motivation zur Altersvorsorge stärken. Für jeden individuell eingezahlten Euro gibt es eine Zulage in Höhe eines bestimmten prozentualen Fördersatzes. Das ist einfach und verständlich. Im Zuge dessen gehören Zulagen und Sonderausgabenabzug finanziell an die heutigen Gegebenheiten angepasst. Denn während Löhne und Gehälter gestiegen sind, ist es die Förderung nicht. Die Änderung der Grundzulage liegt sechs Jahre zurück, alle weiteren Parameter wurden vor 16 Jahren das letzte Mal angefasst. Dafür muss der Vorsorgende nach wie vor seine individuellen Beitragszahlungen an die Gehaltsänderungen anpassen. Tut er dies nicht, drohen unangenehme Zulagenkürzungen oder gar Rückforderungen. Diese komplizierte und lästige Berechnung des Mindesteigenbeitrag gehört abgeschafft.
Ausgeweitet gehört hingegen der Kreis der Förderberechtigten. Die bisherige Einschränkung auf alle Pflichtversicherten der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) schafft unnötige Komplexität – sowohl bei der Beratung als auch in der Verwaltung. Die Unterscheidung zwischen unmittelbar, mittelbar und nicht förderfähigen Personen muss der Vergangenheit angehören. Der positive Nebeneffekt: Wir eröffnen Selbständigen den Zugang zu einer weiteren Form der Altersvorsorge. Damit bekommt die im Koalitionsvertrag vereinbarte Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit echte Bedeutung. Indem der Verlust der Förderfähigkeit aufgrund von Statuswechseln entfällt, tragen wir den sich wandelnden Erwerbsbiografien entsprechend Rechnung.
In der Ansparphase muss beim Versicherungsprodukt auf die hundertprozentige Brutto-Beitragsgarantie verzichtet werden. Die bis vor kurzem anhaltende Niedrigzinsphase hat gezeigt, wozu eine Zusicherung der eingezahlten Beiträge durch die Versicherer führt: Altverträge sind mitunter Jahrzehnte lang im festverzinslichen Bereich gefangen. Was es vielmehr braucht, ist Vielfalt im Angebot. Beispielsweise durch die Wahl zwischen verschiedenen Garantieniveaus von 65, 80 und 100 Prozent. Wichtig ist es dabei, die Produktpalette nicht zu überfrachten. Denn das schafft zusätzliche Komplexität und wirkt mitunter kostentreibend – zwei Aspekte, die auch bei der Eigenheimrente angegangen werden müssen. Hier gilt es insbesondere auf das berühmt-berüchtigte Wohnförderkonto zu schauen. Dieser fiktive Kapitalstock, der die wohnwirtschaftlich verwendeten Vorsorgebeiträge für die nachgelagerte Besteuerung erfassen soll, war von Anfang an nur schwer vermittelbar. Mit einer zweiprozentigen Verzinsung soll die Wertsteigerung der Immobilie im Verlauf der Jahre abgebildet werden. Regionale Unterschiede oder die Tatsache, dass der Leitzins über ein Jahrzehnt weit unter diesen zwei Prozent lag, spielen hier anscheinend keine Rolle. Die angestrebte Vergleichbarkeit von Geld- und Wohnriester führt zu Ungerechtigkeiten und gehört abgeschafft.
Überhaupt schafft die bislang verpflichtende Wahlmöglichkeit pro Eigenheim nur Kosten. Künftig sollte Wohn-Riester nur noch optional vom Anbieter angeboten werden. Denn anderenfalls muss der Versicherer das besagte Wohnförderkonto weit über das Ende der Vertragsbeziehung hinaus führen. Eine Reduzierung auf das Wesentliche ermöglicht kostengünstigere Produktkalkulationen und damit attraktivere Angebote für den Kunden.
Herzstück der pAV-Reform ist jedoch die Etablierung des Altersvorsorgedepots. Es stellt eine zusätzliche attraktive Form des privaten Vorsorgesparens dar, bei dem der Anlegerin und dem Anleger die Wahl über die jeweilige Anlageform überlassen wird – egal ob Aktien, Fonds oder ETFs. Denkbar ist hierbei die Vorgabe qualifizierter Anlageinstrumente über eine Positivliste. Grundsätzlich sollten sich die Anlageinstrumente an der MiFID II orientieren, sodass der Vorsorgesparende nur solche Wertpapiere erwirbt, die seinen Anlagezielen und Kenntnissen entsprechen. Umschichtungen und etwaige Kapitaleinkünfte innerhalb des AV-Depots (z.B. Veräußerungsgewinne, Dividenden) sollten steuerfrei bleiben, müssen dann aber reinvestiert werden. So kann der Zinseszinseffekt über die gesamte Ansparphase seine volle Wirkung entfalten, bevor es in die Auszahlung geht.
Die förderunschädliche Auszahlung sollte grundsätzlich an das Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters gekoppelt werden. Die verpflichtende lebenslange Rente fällt weg. Dafür erfolgt eine ‚Mindestleistung‘, die bis zur Vollendung des 85. Lebensjahrs in Form von Auszahlplänen oder Renten gewährleistet werden muss. Danach sind förderunschädliche Einmalauszahlungen jederzeit möglich. Bei der eigengenutzten Immobilie, bei Invalidität und schwerer Krankheit natürlich auch davor.
Mit diesem hier skizzierten Grundgerüst flexibilisieren wir die private Altersvorsorge und schaffen echte Anreize für den langfristigen Vermögensaufbau. Indem wir weniger bevormunden, dafür aber mehr Freiheiten und Möglichkeiten schaffen, leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Eigenvorsorge. Zugleich eröffnen wir einer breiten Bevölkerungsschicht erstmals den Zugang zum Kapitalmarkt und zu Beteiligungen am Produktivvermögen. Damit etablieren wir endlich die vielbeschworene Aktienkultur in Deutschland. Zeit die Reform anzugehen!