Eine Frage der Einstellung
Die nicht mehr ganz so jungen unter uns erinnern sich noch an das Jahr 2008 als Peter Fox mit seinem Song „Alles neu“ für Furore sorgte. Keine billige – jetzt geht es aufwärts, alles wird besser Lyrik – sondern in Musik gegossener Tatendrang. Alles neu machen wollen war hier nicht von einem verklärten Ziel aus gedacht, sondern lag im eigenen Anspruch etwas verändern zu wollen.
Aus einer Textzeile wie „Ich bin euphorisiert, und habe teure Pläne. Ich kaufe mir Baumaschinen, Bagger und Walzen und Kräne. Stürze mich auf Berlin, drück‘ auf die Sirene“, ließ sich Wille und nicht wollen ablesen. Ein feiner, aber wichtiger Unterschied.
Eine ähnliche Stimmung wünsche ich mir für die Politik in dieser Legislaturperiode. Veränderung und Erneuerung wird nicht dadurch real, dass wir einen Koalitionsvertrag mit Etiketten wie „Aufbruch“ bekleben. Phrasen habe noch nie etwas verändert. Dinge verändern wollen ist eine Frage des eigenen Denkens und Anspruchs und nicht des Formulierens von Absichtserklärungen. Die lange fällige Steuerreform ist dafür ein gutes Beispiel. Es ist nicht so, als wenn sie die Union nicht gewollt hätte, nur der Wille es wirklich umzusetzen war eben nicht da. 16 Jahre lang Merkel waren eine Phase in der politisch organisierte Trägheit zur Staatsräson wurde. Leicht zu erklären, wenn man schaut was dem letzten Reformkanzler, dem Vorgänger Merkels, als Lohn für seinen Tatendrang passierte. Klar ist trotzdem, dass die FDP in der neuen Bundesregierung die Rolle des Antreibers einnehmen muss. Die Rolle desjenigen, der das Mindset der Regierung prägt. Denn die energiegeladene Zukunftsgewandtheit, die wir uns in den letzten 8 Jahren angeeignet haben, die mit für die fantastischen Wahlergebnisse bei den Erst- und Jungwählenden verantwortlich ist, ist neben aller fachlichen Expertise das größte Pfund mit dem wir in Zukunft wuchern können.
Wichtig wird dabei beharrlich zu bleiben. Wir wissen, dass wir fantastische Konzepte für alle relevanten Themengebiete der Zukunft haben und vor allem wissen wir, welche Baustellen am dringendsten sind. Klimaschutz, die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, unser Hinterherrennen bei der Digitalisierung, ein Rentensystem das zu kippen droht. Ich könnte die Liste lange fortsetzen, aber ich denk, dass wir alle wissen wo uns die Schuhe am deutlichsten drücken.
Aber auch die Themen die vermeintlich in der zweiten Reihe stehen tragen etwas zum Wandel der Gesellschaft bei und dazu, ob wir die Politik als agil und handlungsfähig wahrnehmen. Denn auch die Cannabislegalisierung, ein Selbstbestimmungsgesetz für Menschen mit transgeschlechtlichen Identitäten oder ein modernes Einwanderungsgesetz sind Schritte in Richtung einer progressiven Gesellschaft, die lange genug von der Politik verschleppt, blockiert oder ignoriert wurden. Hier können wir schon vor den großen Reformprojekten unter Beweis stellen, dass Wandel, Fortschritt und Veränderung für uns nicht nur Floskel, sondern gelebte politische Philosophie sind.
Veränderung ist kein Selbstzweck. Was wir tun wollen, wie wir uns die Gesellschaft der Zukunft vorstellen ist nicht am Wandel um des Wandels Willen ausgerichtet. Wir alle haben doch gespürt, dass sich die Gesellschaft schneller entwickelt und Bedürfnisse aufgezeigt hat, als die Politik in der Lage war darauf zu reagieren. Was wir also tun möchten ist nicht mehr als den Dingen endlich Raum zum Atmen zu geben, die die Bevölkerung schon längst für sich als Weg in eine moderne Gesellschaft formuliert hat.
Das ist natürlich kein dezidiertes Programm und auch hier gilt es unterschiedliche Vorstellungen, Zukunftsangst, Skepsis und widerstreitende Interessen zu moderieren und aufzulösen. Aber das Entscheidende wird sein, dass wir nicht mehr aus Angst vor diesen Konflikten in politische Schockstarre verfallen. Oder wie Schiller es mal prosaisch ausdrücke, wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Ich denke dies ist ein schöner Leitgedanke unter den man die politische Arbeit in den nächsten vier Jahren stellen kann. Vielleicht kann ich dann am Ende dieser Legislaturperiode wieder Peter Fox hören und im Geiste zustimmen, wenn er singt „alles glänzt, so schön neu“.