Gelebte liberale Werte in Nigeria
Best Practices kennenlernen, neue Partnerschaften schließen und Investitionschancen erkennen. Der Blick über den Tellerrand ist für die Politik in einer globalisierten Welt wichtiger als denn je. So ist es üblich, dass Delegationen der Fachausschüsse des Bundestages in andere Staaten reisen und dort in den Austausch treten. Für den Finanzausschuss war Nigeria, als aufstrebendes Entwicklungsland und mittlerweile größte Volkswirtschaft Afrikas, ein sehr interessantes Ziel. Als Delegierte meiner Partei hatte ich zuletzt die Chance, gemeinsam mit meinen Ausschusskollegen, das enorme Potenzial des Landes zu entdecken.
Nigeria selbst ist ein spannendes Land voller Gegensätze. Mit ca. 220 Millionen Einwohnern ist es zwar das bevölkerungsreichste Land Afrikas, mit einem Durchschnittsgehalt von ca. 2000 Dollar im Jahr allerdings auch eines der ärmsten Länder der Welt. Das allein wird Nigeria nicht gerecht. Denn Nigeria ist inzwischen die größte Volkswirtschaft in Afrika und auch eine der schnellst wachsenden mit einer großen Dynamik. Und vor allem wissen die Nigerianer sich selbst sehr gut zu helfen. Denn Nigeria ist eine wahnsinnig junge und vor allem eine sehr ambitionierte Gesellschaft. Es gibt eine große Bereitschaft, sich zu entwickeln, voranzukommen und zu lernen. Viel Hoffnung ruht dabei auf dem zukünftigen Präsidenten Bola Tinubu, der Ende Mai vereidigt werden soll.
Unsere Reise diente vor allem dazu, mehr über Nigeria als aufstrebenden Finanzmarkt zu lernen, mehr über die Chancen für deutsche Unternehmen zu erfahren und die stark ausgeprägte Start-up-Szene im Bereich FinTech kennenzulernen. Dazu haben wir uns mit Vertretern deutscher Unternehmen und Banken getroffen, sowie mit einheimischen Start-Ups.
Was im Gespräch mit den nigerianischen und ausländischen Unternehmern immer wieder klar wurde: Nigeria hofft auf Investitionen aus dem Ausland. Dabei gibt es den klaren Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit den westlichen Demokratien, vor allem mit Europa. China steht zwar vor der Tür, doch der Wille der Nigerianer geht in Richtung einer liberalen und freien Welt. Das zeigt die Ausrichtung der neu gegründeten Börse nach internationalen Standards ganz klar. Trotzdem sollten wir uns nicht täuschen. Wenn Europa nicht antwortet, wird das Land lieber chinesisches Investment nehmen, als gar keins. Denn die Nigerianer streben nach Wohlstand und sind mehr als bereit, um für das nötige Wachstum zu sorgen, nur die finanzielle Unterstützung fehlt.
Uns als westlichen Demokratien würde dabei ein wenig Demut guttun. In der heutigen Welt, kann man es sich schon lange nicht mehr leisten als wirtschaftlicher Neokolonialist aufzutreten. Diese Zeichen der Zeit und Chancen, die sich in Nigeria bieten, haben auch Unternehmen wie BASF oder Beiersdorf erkannt. Sie treten in der Region nicht nur als Arbeitgeber auf, sondern agieren auch auf Augenhöhe mit einheimischen Unternehmen und engagieren sich gemeinsam bei der Müllbekämpfung . Denn der Müll ist ein grassierendes Problem im Land, das jedoch wiederum neue Möglichkeiten für Recycling Ansätze bietet, wie einige Unternehmen dort bereits erkannt haben. Dabei ist es enorm wichtig, dass vor Ort gute und zukunftsfeste Bedingungen in der Wirtschaft geschaffen werden. Denn der sogenannte Braindrain ist massiv. Gut ausgebildete Fachkräfte verlassen in Scharen das Land. Menschen, von denen Nigeria enorm profitieren könnte. Ein Unternehmer berichtete mir von 20 jungen High Potentials, die in den letzten 24 Monaten ins Ausland gegangen seien. Was uns dabei zu denken geben sollte: exakt einer von diesen 20 hochqualifizierten Fachkräften ist nach Deutschland gegangen und das ehrlicherweise auch nicht wegen der guten Bedingungen und der leichten Einreise, sondern wegen der Liebe. Für alle anderen waren die USA, Kanada und Großbritannien weitaus attraktiver. Wenn wir also noch einen Wink mit dem Zaunpfahl gebraucht hätten, dass wir als Einwanderungsland für viele Fachkräfte nicht attraktiv genug sind, dann wurde er hier mehr als deutlich.
Natürlich gehört es auch zu einer Ausschussreise, sich ein Bild vom Land selbst zu machen. Unter anderem durch eine Hafenrundfahrt in der ehemaligen Hauptstadt Lagos. Für mich ein kleines Highlight, weil ich hier im fernen Lagos – über 7000 Kilometer von zu Hause – den Sicherheitschef des Konsulats kennenlernen durfte, der selbst in Uelzen gewohnt hat und dort bei der Bundespolizei aktiv war. Er berichtete uns von dem großen Problem mit der Cyberkriminalität im Land und den anhaltenden Unruhen mit der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram, die im Norden aktiv ist und Gruppierungen, die sich dort aktuell ein Geschäftsmodell mit Entführungen aufzubauen scheinen.
Lagos selbst ist eine beeindruckende und pulsierende Stadt, mit einem unheimlichen Autoverkehr. Daher gibt es Straßenhändler, die durch das Autofenster Getränke anbieten. Bei stundenlangem Stau und schwülen 35 Grad eine clevere Geschäftsidee. An Menschen mit Geschäftsideen mangelt es sowieso nicht in Nigeria. Denn Vertreter der Start-Up-Szene des Landes erläuterten uns, dass Nigeria in Afrika der Place to be ist, wenn es um alternative Zahlungsmethoden und Systeme geht. Nur etwa die Hälfte besitzt derzeit ein Girokonto. Andererseits hat dafür so gut wieder jeder Bürger regelmäßigen Zugriff auf das Internet. Da ist es wenig verwunderlich, dass viele Start-ups in der so genannten Fintech-Branche tätig sind, also technische Lösungen für finanzielle Themen anbieten. Vor allem das Vermitteln von Kleinkrediten über App-Lösungen ist ein wachsendes Geschäft. Denn die klassischen Banken benötigen oft viel zu lange für eine Bewertung und Kreditvergabe. Das unkomplizierte und intuitive Beantragen eines Kredites bietet schnelle Wirtschaftsförderung. Denn oft werden diese für den Aufbau eines Unternehmens benötigt. Dabei weisen sie einen bemerkenswert geringe Ausfallquote von gerade einmal 4 % aus.
Als Fazit aus der Reise kann ich nur immer wieder betonen, dass Afrika und Länder wie Nigeria keine Oberlehrer und Weltretter braucht, sondern Zusammenarbeit auf Augenhöhe und einen respektvollen Umgang. Wenn wir, als Europa und Deutschland klug und mit Bedacht handeln, kann hier eine fruchtbare Partnerschaft entstehen, von der alle Seiten profitieren können.