Pflichtversicherung für Elementarschäden?
Mitte Juli jährte sich die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zum ersten Mal. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns durch den Klimawandel derartige Extremereignisse künftig häufiger und stärker treffen, ist hoch. Forschungsergebnisse zeigen, dass Wettermuster wie Tief „Bernd“, durch die Erderwärmung, heute bereits um das 1,2- bis 9-fache wahrscheinlicher geworden sind. Mit der zunehmenden Zahl an Unwetterschäden steigen natürlich auch die damit verbundenen finanziellen Belastungen für Eigentümer, Versicherer und Staat. Der materielle Schaden, den Tief Bernd im vergangenen Jahr verursacht hat, wird derzeit auf über 30 Mrd. Euro beziffert. Unzählige Menschen verloren ihre Existenzgrundlage, mehr als 180 verloren gar ihr Leben. Eine Katastrophe, die durch nichts aufzuwiegen ist.
Unzureichendes Risikomanagement, unausgereifter Katastrophenschutz und das Fehlen von Vorsorgemaßnahmen seitens der Behörden und kommunalen Vertretungen haben ihren Teil zur Katastrophe beigetragen, ebenso wie das geringe Risikobewusstsein innerhalb der Bevölkerung. Das führt uns deutlich vor Augen, dass wir handeln müssen. Entsprechend groß ist derzeit auch der gesellschaftliche und politische Handlungswille.
Vor Kurzem hatten sich die Bundesländer auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) für die Einführung einer allgemeinen Elementarschaden-Pflichtversicherung ausgesprochen und den Bund um einen Regelungsvorschlag gebeten. Denn, was vielen Betroffenen zusätzlich zum Unglück schmerzlich vor Augen geführt wurde, ist die Tatsache, dass eine einfache Wohngebäudeversicherung für die entstandenen Schäden nicht aufkommt.
Dennoch sollte eine Versicherungspflicht für Elementarschäden in meinen Augen nur die Ultima Ratio sein. Denn während Gebäudeeigentümer in den weniger stark gefährdeten Gebieten mit jährlichen Versicherungsprämien im zwei- bis dreistelligen Bereich rechnen müssen, stehen Eigentümer in exponierten Risikogebieten vor drei- bis vierstelligen Prämien. Hinzu kommen außerdem hohe Selbstbehalte. Diese Kombination stellt eine übermäßige finanzielle Belastung der Gebäudeeigentümer dar. Gerade in der anhaltenden inflationären Lagen birgt das weitere Herausforderungen. Darüber hinaus stellt eine Pflicht im Zweifel auch eine Beeinträchtigung des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums dar, da sie spezifisch Wohngebäudeeigentümer trifft.
Das führt unweigerlich zur Frage, inwiefern derartige Prämienlasten Gebäudeeigentümern in besonders exponierten Gebieten überhaupt zuzumuten sind? Und inwiefern ist es Eigentümern in wenig bis gar nicht gefährdeten Gebieten zuzumuten, dass diese das Risiko der Wenigen mitzahlen sollen? Letztlich machen jene Zonen, die in relativer Regelmäßigkeit von intensiven Hochwassern betroffen sind (sprich einmal in 10 Jahren bzw. alle 10 bis 100 Jahre), nur gut 1,5 Prozent der Wohngebäude in Deutschland aus.
Ferner lässt eine Versicherungspflicht die Kosten des Wohnens weiter ansteigen. Denn zu der bereits bestehenden Wohngebäudeversicherung und den laufenden Kosten eines Hauses, die regelmäßig zwischen sechs- bis neuntausend Euro im Jahr betragen können, kommt dann die Elementarschadenversicherung obendrauf. In einem Land, in dem die Eigenheimquote mit 50,4 Prozent bereits zu den niedrigsten in der gesamten EU zählt, hemmt dies vor allem eines: Den Traum von den eigenen „vier Wänden“.
Und ein weiterer Kostenaspekt sollte nicht verschwiegen werden: die Bürokratiekosten. Eine Versicherungspflicht müsste nachgehalten und kontrolliert werden, um wirksam zu sein. In Anbetracht der knapp 20 Mio. Wohngebäude in Deutschland entstehen zusätzliche administrative Aufwände, deren Kosten im Zweifel von den Versicherungsnehmern und Steuerzahlern zu tragen wären.
Wo also ansetzten?
Meiner Ansicht nach braucht es neben präventiven Maßnahmen zur Risikoreduktion und Klimafolgenanpassung klare Maßnahmen zur Stärkung der Eigenvorsorge. Denn eine Elementarschadenversicherung ist wichtig. Sie schützt den Einzelnen, im Fall der Fälle, vor dem finanziellen Ruin. Zugleich entlastet sie die Gesamtheit der Steuerzahler, da sich der Staat nicht mehr genötigt fühlen muss, den Betroffenen (d.h. in erster Linie den unversicherten Eigentümern) mit Steuergeldern zur Hilfe zu kommen – sofern die Versicherungsquote hoch genug ist. Aktuell liegt sie allerdings bereits bei 50 Prozent.
Daher müssen wir das Risikobewusstseins innerhalb der Bevölkerung weiter stärken. Durch transparente und gezielte Information sowie Beratung. Den Menschen muss klar sein, warum eine Elementarschadenversicherung notwendig ist und wie sie darüber hinaus präventiv tätig werden können. Häufig herrscht einfach Unkenntnis über den konkreten individuellen Versicherungsschutz. Dem muss mit Informationskampagnen entgegengewirkt werden, indem hinsichtlich bestehender Gefahren und Absicherungsmöglichkeiten sensibilisiert wird.
Denkbar ist auch die Einführung gesetzlicher Informationspflichten. So sollte beim Abschluss einer Wohngebäudeversicherung oder eines Immobilienfinanzierungsvertrags über die Gefahren von Elementarschäden informiert werden. Auch beim Übergang von Grundstücken im Rahmen eines Kaufs könnte Aufklärungsarbeit betrieben werden: Eigentümerinnen und -eigentümer müssen sich dessen bewusst sein, dass eine Wohngebäudeversicherung keine Elementarschäden abdeckt.
Zudem braucht es benutzerfreundliche öffentlicher Portale, die jedem den Zugang zu Gefährdungskarten und Modellergebnissen ermöglicht. Es ist verwunderlich, dass in den Überschwemmungsgebieten nach einer sog. „Jahrhundertflut“ an gleicher Stelle – zum Teil ohne jegliche Schutzvorkehrungen – alle zerstörten Häuser wieder munter aufgebaut werden können.
Wie eingangs erwähnt, müssen wir aber vor allem bei den präventiven Maßnahmen ansetzen und die Risikoreduktion und Klimafolgenanpassung auf regionaler und kommunaler Ebene vorantreiben. Es braucht abgestufte Gefahren- und Risikozonen mit differenzierten Bauverboten. Dazu müssen wir die bestehenden Pläne über Gefährdungsgebiete entsprechend überarbeiten. Unerlässlich ist es hierbei, historische und jüngste Ereignisse sowie maximal mögliche Vorfälle in die Elementarschadensmodelle zur Gefahrenbewertung miteinfließen zu lassen. Beim Wiederaufbau bzw. Neubau darf keine falsche Sicherheit über mögliche Gefahren hinweg täuschen.
Ebenso braucht es kommunale baurechtliche Auflagen. Der verbindliche Einbau von Rückstauklappen sowie das Anheben von Lichtschächten in Kellerbereichen oder die Verwendung hochwassersicherer Fenster und Türen könnte zumindest in exponierten Gebieten zum neuen Standard werden.
Indem wir Richtlinien und Schutzzertifizierungen erlassen, können wir das Gefahrenrisiko auf Objektebene standardisieren. Durch subventionierte Hochwasserpässe und -vorsorgeausweise erhält der Gebäudeeigentümer einen Anreiz, seine individuelle Gefährdungslage prüfen zu lassen. In Kombination mit einer Förderung individueller Schutzmaßnahmen, indem z.B. die oben erwähnten Rückstauklappen entweder zu vergünstigten Versicherungsprämien bzw. Selbstbehalten führen oder zum Teil staatlich gefördert werden, kann die Vorsorge eines jeden Einzelnen vorangetrieben werden. Eine finanzielle staatliche Unterstützung von Präventionsmaßnahmen ist allemal zielführender und vor allem günstiger als die Regulierung der Schäden nach einer Flut.
In meinen Augen sollten wir zunächst auf dieses Maßnahmenbündel setzen und auf diese Weise auf eine umfassende und bundesweite Absicherungslösung gegen intensive Naturereignisse hinzuwirken, bevor wir Eigentümer zwingen eine Elementarschadenversicherung abzuschließen.