Anja Schulz

Standortrisiko: Steigende Sozialversicherungsbeiträge

Die Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung werden in Zukunft moderat ansteigen. In ihrer Gesamtheit können sie jedoch zum Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland werden.

Im Juli 2023 stieg der Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung auf 40,8 %. Mittelfristig wird ein weiterer Anstieg prognostiziert. Und das, obwohl die 40%-Marke immer als eine Art rote Linie in diesem Bereich betrachtet wird.

Bevölkerungsentwicklung als Ursache

Die Ursache der Notwendigkeit die Beiträge zu erhöhen, hängt in allen Sozialversicherungszweigen mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Eine alternde Gesellschaft wendet naturgemäß mehr Geld für Rentenzahlungen, Pflege und Krankheitskosten auf, und das ist auch gut so. Problematisch jedoch ist der Mangel an entsprechenden Vorkehrungen, die man hätte treffen können, um eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen. Denn diese Entwicklung war jahrzehntelang vorhersehbar, gut erforscht, und kann niemanden überraschen.

Abgabenlast für Arbeitnehmer doppelt problematisch

Die Beitragserhöhungen in jedem einzelnen Sozialversicherungszweig für sich genommen sind moderat. Die starke finanzielle Belastung wird erst bei gemeinsamer Betrachtung der Beiträge sichtbar. In der Regel kosten die Sozialversicherungsbeiträge die Arbeitnehmer deutlich mehr netto vom brutto als der Abzug der Einkommenssteuer. Immer weiter steigende Abgaben stellen für die Arbeitnehmer nicht nur das Leistungsprinzip in Frage, sondern haben auch einen großen Einfluss auf die Möglichkeiten junger Beschäftigter, ihre Situation im Alter selbst zu bestimmen. Die staatlichen Pflichtsysteme allein werden in Zukunft nicht ausreichen, um einen angemessenen Lebensstandard im Alter zu sichern und um steigende Pflegekosten aufzufangen. Dazu sind sie auch heute schon nicht ausgelegt. Das System setzt voraus, dass zusätzliche Vorsorge betrieben wird. Daher ist es wichtig, dass Arbeitnehmern dazu der entsprechende Raum gelassen wird. Die steigende Abgabenlast erschwert dies jedoch zunehmend.

Schwindende Wettbewerbsfähigkeit 

Für Unternehmen bedeutet der Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge höhere Lohnnebenkosten. Dies kann Investitionen in Wachstum und Innovation hemmen, da die Arbeitgeber zunehmend finanziellen Druck spüren. Deutsche Firmen müssen im internationalen Wettbewerb bestehen, und hohe Abgabenlasten führen dazu, dass andere Länder zunehmend attraktiver werden. Besonders im Vergleich mit Ländern, die geringere Abgaben erheben, könnte Deutschland für Unternehmen und Investoren an Reiz verlieren. Das beobachten wir heute schon. Diese Entwicklung gefährdet Arbeitsplätze, da Unternehmen dazu neigen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern oder Investitionen in Deutschland zu reduzieren, um Kosten zu senken.

Fachkräftemangel und internationale Konkurrenz

Ein weiteres Problem ergibt sich im Hinblick auf die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Deutschland ist auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Jedoch könnten hohe Sozialabgaben dazu führen, dass ausländische Fachkräfte andere Länder bevorzugen, die eine niedrigere Abgabenlast bieten. Länder wie die Schweiz, die USA oder Kanada bieten oft attraktivere Rahmenbedingungen, was Deutschland im internationalen Wettbewerb um Talente schwächt.

Negativspirale vermeiden

Steigende Sozialversicherungsbeiträge können eine Negativspirale in Gang setzten. Wenn die finanzielle Belastung für die Wirtschaft zu groß wird, wird der Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig geschwächt. Um weiterhin hohe Sozialversicherungskosten tragen zu können, braucht es jedoch eine starke Wirtschaft, die hierfür die Beiträge erwirtschaftet. Wenn diese Beiträge sich auf Grund einer schwindenden Wirtschaftsleistung verringern, muss wiederum der Beitragssatz steigen.

Dieser Entwicklung müssen wir etwas entgegensetzten. Vor allem gilt es nun, mit den Maßnahmen der Wachstumsinitiative die Wirtschaft zu stärken. Denn ein robuster Arbeitsmarkt und eine florierende Wirtschaft sind die Säulen unserer Sozialversicherungen. Trotzdem müssen wir uns damit beschäftigen, wie wir zukünftige Beitragssatzsteigerungen in einem vertretbaren Rahmen halten können.