Anja Schulz

Wie wir uns mit dem Bürgergeld dem Aufstiegsversprechen nähern

Bildquelle: Unsplash

Das Leben im Hartz-IV-Bezug ist kein Zuckerschlecken. Jeden Cent zweimal umdrehen, die ständige Angst vor unerwarteten Kosten, den Kindern die Klassenfahrt nicht selbst bezahlen können. All das belastet Familien, die auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende angewiesen sind.

Darum muss es für die Politik eigentlich ein Hauptanliegen sein, dass Jugendliche und junge Erwachsene, die in Bedarfsgemeinschaften leben, nicht in der Armut verharren. Stattdessen sollten sie dazu motiviert werden, sich durch ihre Leistung ein Leben auf eigenen Beinen aufzubauen. Uns als Freien Demokraten war es deshalb immer schon ein Dorn im Auge, dass sich eine Ausbildung,  Ferien- oder Aushilfsjobs, für Jugendliche aus Familien im Hartz-IV-Bezug wortwörtlich nie ausgezahlt haben. Gerade einmal die ersten 100 Euro ihres Lohnes dürfen sie aktuell komplett behalten. Jeder Euro darüber hinaus wird zu 80 % auf die Sozialleistungen der Eltern angerechnet. Damit vermitteln wir motivierten jungen Menschen: Deine Anstrengung lohnt sich für dich nicht. Und genau das sollten wir vermeiden.

Denn aktuell sind wir mehr denn je auf Arbeitskräfte angewiesen. Der sich jetzt schon abzeichnende Fachkräftemangel, wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Denn die geburtenstarke Jahrgänge, die sog. Babyboomer erreichen bald den Ruhestand. Schon heute bleiben außerdem viele Ausbildungsplätze unbesetzt und Betriebe finden keine Bewerber mehr. Viele Arbeitgeber sind sich dessen bewusst, und werben neben einen Gehalt mit weiteren Mitarbeitervorteilen, um ihre Arbeitsplätze attraktiv zu machen. Es ist aber nicht nur Aufgabe der Arbeitgeber, sondern vor allem auch der Politik, ordentliche Anreize zur Erwerbstätigkeit zu setzen. Denn für einen jungen Erwachsenen aus einer Bedarfsgemeinschaft ist es aktuell egal, ob Betriebe eine ansprechende Ausbildungsvergütung anbieten, denn bisher kommt davon fast nichts in seinem Geldbeutel an.

Neben dem Fachkräftemangel zeichnet sich in Deutschland aber auch ein genereller Arbeitskräftemangel ab. Gerade z.B. in der von der Corona-Pandemie gezeichneten Gastronomie und Einzelhandelsbranche gestaltet sich die Suche nach Personal sehr schwierig. Die Branche ist daher auf eine Vielzahl von Aushilfs- und Ferienarbeitern angewiesener. Daher ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass Schüler und Studierende aus Hartz-IV-Familien durch Hinzuverdienstgrenzen entmutigt werden, einen Minijob anzunehmen.

Aber hier geht es natürlich nicht nur darum, der Wirtschaft und damit unser aller Wohlstand, mehr Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, eine große Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. Nämlich, dass die Familiensituation, in die jemand hineingeboren wurde, keinen Einfluss auf die eigenen Ambitionen und Leitungen haben sollte. In unserem liberalen Selbstverständnis sollte es immer mehr zählen, wohin jemand will, als woher jemand kommt. Mit dem Bürgergeld schaffen wir die Grundlage für dieses Prinzip.

Mit unseren Koalitionspartnern konnten wir uns darauf verständigen, das Leistungsprinzip wieder zu aktivieren. Laut dem letzte Woche im Bundestag beschlossenem Bürgergeld-Gesetz, sollen alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bedarfsgemeinschaften ihren Lohn bis zur Mini-Job-Grenze von 520 Euro komplett behalten können. Erst darüber hinaus sind nur noch 30 % des Gehaltes zurechnungsfrei. Bei einem Ausbildungsgehalt von 1000 Euro könnten sie somit in Zukunft 664 Euro behalten, im Vergleich zu 280 Euro nach altem Recht. Das ist ein großes Stück mehr Leistungsgerechtigkeit.

Dass die Verbesserung der Hinzuverdienstgrenzen gut und gerecht ist, bestätigt uns auch die Opposition. Das Bürgergeld wurde zwar im Bundesrat erst einmal gestoppt durch jene Landesregierungen, in denen die Union beteiligt ist. Die Kritik seitens der Union am Bürgergeld bezieht sich dabei allerdings in keiner Weise auf die Hinzuverdienstgrenzen, sondern vor allem auf die geplanten Regelungen zum Schonvermögen. Das bescheinigt uns, dass wir mit der Lockerung der Hinzuverdienstgrenzen auf dem richtigen Weg sind. Der Vermittlungsausschuss soll nun dabei helfen Kompromisse zu finden, sodass das Gesetz auch im Bundesrat verabschiedet werden kann. Wir wollen im Verfahren konstruktiv und kompromissbereit mit der Union zusammenarbeiten.

Ich würde mir wünschen, dass sich schon in naher Zukunft eine Einigung finden lässt. Viel zu lange schon warten Jugendliche und junge Erwachsene aus Hartz-IV-Familien auf eine wirkliche Anerkennung ihrer Leistungsbereitschaft.