Wirtschaftsweise wollen Rentensystem reformieren
Schon seit 1964 veröffentlicht der Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ein Jahresgutachten. Darin kommt er seiner Aufgabe nach, die wirtschaftliche Lage und deren absehbare Entwicklung darstellen sowie Fehlentwicklungen und auch die Möglichkeiten zu deren Vermeidung oder Bekämpfung aufzeigen. In diesem Jahr hat der Sachverständigenrat großes Augenmerk auf die Altersvorsorge und die Alterung unserer Gesellschaft gelegt, und hier eine Menge Handlungsbedarf identifiziert.
Alterung & Fachkräftemangel
Die Alterung unserer Bevölkerung ist im aktuellen Jahrzehnt besonders akut sichtbar, da viele Menschen aus der starken Babyboomer Generation entweder seit kurzem im Ruhestand sind oder nun kurz davorstehen. Das wird den Fachkräftemangel weiterhin verstärken. Und das spüren wir überall, egal ob es darum geht einen Termin beim Bürgeramt, einem Handwerker oder beim Facharzt zu bekommen. Aber die Folgen gehen weit darüber hinaus: Eine Kindertagesstätte, die Ihre Öffnungszeiten reduziert, führt zu Eltern die Ihre Stundenzahl reduzieren. Das wiederum verschärft den Fachkräftemangel erneut. Dieser Abwärtsspirale müssen wir entgegenwirken, denn beim Fachkräftemangel handelt es sich um eine der wichtigsten Wohlstandsbremsen.
Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik sind verknüpft
Neben bereits erfolgreich durchgesetzten Gesetzen wie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, bietet auch die Rentenpolitik Möglichkeiten um Erwerbsanreize zu setzten. Der Sachverständigenrat hat Vorschläge zur stärkeren Beteiligung Älterer am Arbeitsmarkt vorgebracht, und dabei unter anderem die Rente ab 63 in Frage gestellt. Tatsächlich wirken Frühverrentungsanreize aus der Zeit gefallen, da diese oft sehr gut qualifizierten Fachkräfte mit jahrzehntelanger Erfahrung auf unserem Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Mit der Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten haben wir Anfang dieses Jahres bereits eine Maßnahme verabschiedet, die dem Verlust der Arbeitskräfte entgegenwirken kann. Lesen Sie hierzu mehr.
Hier ist aber noch mehr möglich. Verbesserungsbedarf sieht der Sachverständigenrat auch bei der Witwen- und Witwerrente. Viel zu oft verharren die Hinterbliebenen in Teilzeittätigkeiten, um sich durch Anrechnung ihres Einkommens nicht finanziell schlechter zu stellen. Das stimmt nicht mit unserer liberalen Vorstellung des Leistungsprinzips überein, daher bräuchte die Witwen- und Witwerrente ein Update.
Leistungsprinzip muss erhalten bleiben
Für mich ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständigenrat auf der einen Seite die Bekämpfung des Fachkräftemangels hochhält, auf der anderen Seite jedoch auch Maßnahmen wie eine progressive Rentenberechnung verschlägt. Die Essenz der progressiven Rentenberechnung wäre eine teilweise Abkehr vom Äquivalenzprinzip. Hohe Rentenansprüche sollen zugunsten von niedrigen Renten abgeflacht werden. Zwar wären so weiterhin Unterschiede in der Rentenhöhe gegeben, aber der klare Bezug zwischen Höhe der Einzahlung und Höhe der Auszahlung ginge verloren. Ich will den kritischen Stimmen hierzu nicht beipflichten, aber wir können nicht ignorieren, dass in unserer Gesellschaft eine Debatte darüber entbrannt ist, ob sich Arbeit noch lohnt. Gerade in diesem Licht wirkt dieser Vorschlag fehl am Platz. Eine progressive Rentenberechnung wäre eine klare Absage an das Leistungsprinzip, würde weniger Arbeitsanreize schaffen und ist deshalb genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen.
Die Sachverständige Prof. Dr. Veronika Grimm hat sich entgegen der Mehrheitsposition gegen die Umverteilung im Rentensystem ausgesprochen. Sie bezweifelt die Zielgenauigkeit der Armutsbekämpfung im Rentensystem und spricht sich dafür aus, dass das Steuer – und Transfersystem hier der bessere Hebel ist.
Anpassung der Rentenformel
Auch einige Ansätze zur Entlastung unseres Rentensystems weist das Jahresgutachten aus. So beispielsweise die Erhöhung des Nachhaltigkeitsfaktors. Der Nachhaltigkeitsfaktor überträgt die Bevölkerungsentwicklung in die Rentenformel. Aktuell wird das sich stetig verschlechternde Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentner mit dem Faktor 0,25 abgebildet. Das bedeutet, dass die Rentner ein Viertel und die Beitragszahler Dreiviertel der Entwicklung zu tragen haben. Der Sachverständigenrat schlägt vor, die Lasten gleich zu verteilen und den Faktor auf 0,5 zu erhöhen. Diesen Vorschlag halte ich für sinnvoll, denn die Wiedereinführung des Nachholfaktors hat gezeigt, dass Anpassungen der Rentenformel eine sehr effektive Möglichkeit sind finanzielle Entlastung für die Beitragszahler zu schaffen.
Wir brauchen mehr Generationengerechtigkeit in unserem Rentensystem. Das System ist jedoch so komplex, dass viele Maßnahmen gleichzeitig in Angriff genommen werden müssen, um wirklich eine Veränderung zu schaffen. Der Sachverständigenrat hat einige wichtige Punkte aufgeworfen und viele Maßnahmen sind im politischen Betrieb sowieso immer wieder im Gespräch. Wichtig ist es aber, das wir vom Reden zum Handeln kommen.