Anja Schulz

Kick-off zur Reform der privaten Altersvorsorge

Trotz der drängenden Fragen zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und den Auswirkungen irregulärer Migration dürfen wir unser finanzielles Wohlergehen in der Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden weitreichende Folgen haben – insbesondere für die Altersvorsorge.

Aus diesem Grund habe ich am vergangenen Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion im Deutschen Bundestag zur Reform der privaten Altersvorsorge eingeladen. Mehr als 20 Jahre nach der Einführung der Riester-Rente ist es an der Zeit, die private Altersvorsorge (pAV) neu zu beleben. Gefragt sind neue Anreize für den langfristigen Vermögensaufbau und eine umfassende Stärkung der Kapitalmarktkultur in Deutschland.

Auf dem hochkarätig besetzten Panel mit Dr. Sabine Mauderer (Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank), Dirk Schmitz (Deutschland-Chef BlackRock), Hermann-Josef Tenhagen (Chefredakteur Finanztip) und Anne Connelly (Gründerin herMoney) entbrannte eine intensive Debatte über die Zukunft der privaten Altersvorsorge.

Schnell war man sich einig, dass das vom FDP-geführten Bundesfinanzministerium (BMF) geplante Altersvorsorgedepot (AVD) eine Schlüsselrolle für eine nachhaltige und renditestarke Altersvorsorge spielen könnte.  

Die Pläne des BMF – ein entscheidender Schritt nach vorne
In seiner Eröffnungsrede stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner die Eckpunkte der geplanten Reform der privaten Altersvorsorge vor, die in vielen Punkten auf ähnliche Überlegungen zur Stärkung des Rentensystems abzielen, wie sie von uns auf dem Bundesparteitag (vom 20. März 2023) und von mir angeregt wurden (siehe Beitrag vom 31. Mai 2024).

Der Gesetzentwurf, der sich derzeit in der Frühkoordinierung zwischen dem BMF, BMWK und dem Bundeskanzleramt befindet, sieht zwei staatlich geförderte Produkte vor:

  1. Ein flexibleres Versicherungsprodukt, das auf dem bisherigen Riester-Modell aufbaut, jedoch durch eine Bruttobeitragsgarantie von 80 % oder 100 % mehr Flexibilität bietet.
  2. Ein Altersvorsorgedepot (AVD), das ohne Garantien auskommt und Anlegerinnen und Anlegern mehr Wahlfreiheit sowie Renditechancen eröffnet. Es ermöglicht die individuelle Entscheidung, ob in Aktien, Fonds oder ETFs investiert werden soll – eine bedeutende Neuerung im Vergleich zu den starren Vorgaben des bisherigen Systems.

 

Besonders positiv ist, dass einige der geplanten Reformen Ansätze aufgreifen, die in der Diskussion zur Verbesserung des Rentensystems bereits breit unterstützt wurden:

  • Beitragsproportionale Förderung: Anstelle fixer Zulagen legt der Staat künftig für jeden gesparten Euro 20 Cent drauf – bis zu einem Förderbetrag von 3.000 Euro. Dies schafft zusätzliche Anreize zur Eigenvorsorge und reduziert bürokratische Hürden. Die Mindesteigenbeitragsberechnung entfällt, was die Verwaltung erheblich vereinfacht und Rückforderungen sowie Streichungen von Zulagen vermeidet.
  • Flexibilisierung der Ansparphase: Eine weniger starre Handhabung der Bruttobeitragsgarantie – wie die Wahl zwischen 80 % und 100 % – bietet den Anlegern mehr Flexibilität und Effizienz. Das ist besonders wichtig, um in Zeiten niedriger Zinsen und volatiler Märkte konkurrenzfähig zu bleiben.
  • Positivliste im AVD: Das Altersvorsorgedepot wird nur qualifizierte Anlageinstrumente wie Aktien, Fonds und ETFs zulassen, die auf einer Positivliste stehen. Diese Transparenz verringert die Komplexität und bietet den Anlegern dennoch sichere und renditestarke Investitionsmöglichkeiten.

 

Der Kapitalmarkt als Schlüssel zur Zukunft der Altersvorsorge
Ein wichtiger Punkt, den Dirk Schmitz (BlackRock Deutschland) während der Diskussion hervorhob, war die Erfolgsgeschichte von ETFs in Deutschland. Von rund 500.000 ETF-Sparplänen im Jahr 2017 ist die Zahl bis Ende 2023 auf über 4 Millionen angestiegen. Diese Entwicklung zeigt, dass der Kapitalmarkt hierzulande zunehmend an Bedeutung gewinnt – ein Trend, den das Altersvorsorgedepot weiter fördern könnte.

Verbraucherschützer loben das Altersvorsorgedepot
Besonders interessant war die Einschätzung von Hermann-Josef Tenhagen (Finanztip), der das Altersvorsorgedepot als „großartige Möglichkeit für den langfristigen Vermögensaufbau“ bezeichnete. Er hob hervor, dass ETFs ein einfaches und verständliches Anlageprodukt seien, das sich ideal für die Altersvorsorge eigne. Gleichzeitig sprach er sich für eine stärkere Förderung von Menschen mit geringem Einkommen aus und kritisierte die bürokratischen Hürden des bisherigen Riester-Systems. Auch diese Punkte decken sich mit unseren Forderungen nach einer Vereinfachung der privaten Altersvorsorge.

Fazit – Ein Schritt in die richtige Richtung
Die Diskussion der vergangenen Woche hat gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind, die private Altersvorsorge in Deutschland zukunftsfähig zu gestalten. Die Einführung des Altersvorsorgedepots bietet eine echte Chance, den Kapitalmarkt für eine breite Bevölkerung zu öffnen und gleichzeitig den Vermögensaufbau nachhaltig zu fördern. Durch die Einführung der beitragsproportionalen Förderung, mehr Flexibilität und eine vereinfachte Produktstruktur schaffen wir die notwendigen Anreize für die Eigenvorsorge. Es bleibt zu hoffen, dass die Pläne des BMF zügig in den Bundestag gelangen, damit der Marktstart 2026 erfolgen kann. Dem Minister zufolge kann es sich dabei nur noch um „Stunden, Tagen oder Wochen“ handeln. 

Foto: Raphael Wedemeyer
V. l. n. r.: Mauderer (Bbk.), Schmitz (BlackRock), Schulz (MdB), Tenhagen (Finanztip), Connelly (herMoney).